Studier mal Marburg 11/2010, ebenso in Oberhessischer Presse v. 3.11.2010, Mittelhessen Anzeiger, Sonntag Morgen Magazin, Magazin Express, Kult(o)ur Spezial der Marburger Freitagszeitung

„Individualität ist Trumpf“, so lautet das Motto des Marburger Kunsthandwerkermarktes, um das sich am Samstag, dem 6. Und Sonntag, dem 7. November in und um die Stadthalle herum alles dreht. Mit mehr als 110 Kunsthandwerkern aus dem gesamten Bundesgebiet, darunter 20 Ausstellern, die erstmals in der Stadthalle ausstellen, bietet der Markt ein breites Spektrum an individuellen und ausgefallenen Geschenkideen. Der größte Markt der Region bietet Kunsthandwerk der verschiedensten Werkbereiche auf über 1500qm. Zu den Ausstellern die sich erstmals präsentieren gehören…. Einen ganz besonderen Ansatz gefunden hat Inge Cremer aus Marburg mit ihrer Familie. Sie ermöglicht blinden, sehbehinderten und sehenden Menschen mit ihren Grußkarten ganz neue Verbindungen. Mit „Vitaswelt“ betreibt sie neben einem Internetportal für den elektronischen Versand von Grußkarten nun auch den Verkauf dieser Grußkarten in Papierversion….

Oberhessische Presse, 6.01.2010
Schneekönigin erobert Rapunzelturm
Was ist denn bloß am Rapunzelturm in Amönau los? Von Rapunzels langen Haaren ist weit und breit nichts zu sehen, dafür hängen lange Eiszapfen am Strauch vor dem Turm herunter.
Einfach märchenhaft präsentiert sich der Rapunzelturm bei klirrender Kälte. Diese ungewöhnliche und keineswegs alltägliche Ansicht sicherte sich Johannes Heering (Vitaswelt) aus Wehrshausen als Foto.
von Götz Schaub
Artikel in der Zeitschrift "Gegenwart" vom DBSV, Juni 2009 (Deutscher Blinden- und SehbehindertenVerband. e.V., Berlin)
Schreiben verbindet
Ob „Gute Besserung”, „Viel Glück für die Prüfung” oder „Alles Gute zum Geburtstag” mit einer elektronischen Grußkarte sind die guten Wünsche schnell und einfach übermittelt. Das Internetportal www.vitaswelt.de öffnet die der E-Cards jetzt auch für blinde und sehbehinderte Menschen.
„Glück ist eines der Dinge, die sich vermehren, wenn du es teilst, Spruch in zwei Herzen im Schnee: Ein aus einer Baumscheibe ausgeschnittenes Holzherz liegt neben einem in den Schnee gedrückten Abdruck des Herzens. Braun/Eisblau-weiß.”
Auch wer nichts oder nur sehr wenig sieht, kann sich bei diesen Worten eine Vorstellung von dem Bild machen. Mit der genauen Beschreibung, die per Computerstimme oder Braillezeile transportiert wird, findet das liebevoll gestaltete Postkartenmotiv seinen Weg in die Welt der Blinden. Ein Klick auf Versenden genügt und die E-Card macht sich per Link in einer E-Mail auf den Weg zum Empfänger. Für regelmäßigen Motiv-Nachschub sorgt Inge Cremer: Auf ihrer internetseite www.vitaswelt.de zeigt die 55-Jährige mittlerweile rund 170 elektronische Postkarten in Rubriken wie Muttertag, Liebe, Blumen oder Weisheiten.
Die Idee zu dem Internetportai entstand aus einer jahrelangen Leidenschaft: „Ich habe schon immer gerne Karten ausgesucht. Für jeden Anlass das Passende, mit schönen Motiven oder auch einem pfiffigen Spruch”, erinnert sich Inge Cremer. Der kleine Nachteil: Bislang brauchte die Marburgerin zum Aussuchen immer Hilfe, Denn selbst sehen kann die seit über 20 Jahren erblindete Frau die Motive nicht. Ihr Mann ging daher regelmäßig als „Beschreiber” mit auf Postkarten-Tour. „Es hat mich aber doch geärgert, dass Blinde nicht selbstständig einen Kartengruß verschicken und anderen damit eine Freude machen können”, erzählt die 55-Jährige.
Rückblickend war die Lösung, wie man zwischen blinden, sehbehinderten und sehenden Menschen über das Kartenschreiben eine Verbindung schafft, ganz einfach: Eine blindentaugliche Internetseite sollte her. Ehemann Johannes und Sohn Christoph samt Freundin waren von Anfang an mit im Boot. Während die Jüngeren den Webauftritt konzipierten, übernehmen die Älteren vor allem den kreativen Part, Sie suchen passende Sprüche und sorgen für neue Motive, Denn bei „Vitasweit” sind alte Karten, ob fotografiert oder aquarelliert, selbst gestaltet.
Über 1,500 Besucher hatte die Internetseite bereits und Inge Cremer hofft, dass noch mehr Betroffene auf das Angebot stoßen. Dann wird es die Grußkarten vielleicht auch bald als Papierversion geben - ein Traum der kreativen Familienbande. Bis es soweit ist, gehen sie erstmal weiter auf Motivsuche, und zwar am liebsten mit Blindenführhündin Vita, die sich damit regelmäßig um die nach ihr benannte „Vitaswelt” verdient macht. Inka Strunk, Redaktion „Gegenwart"

Artikel vom 30.04.2009, erschienen in der OP, Tageszeitung für den Kreis Marburg-Biedenkopf:
Überschrift: Aus Weihnachtsgeschenk wird Geschäftsidee

Wehrshausen. Inge Cremer ist blind und schreibt trotzdem für ihr Leben gern Postkarten. Weil sie die nicht selbst aussuchen kann, haben ihr Mann und ihr Sohn ihr zu Weihnachten eine Internetseite gebaut.
Unter www.vitaswelt.de stehen mittlerweile aber nicht mehr nur 20 Postkarten mit Fotomotiven, sondern 170 Karten mit Fotomotiven, Aquarellen und Sprüchen zum Versand bereit. „Blinde können auf unserer Internetseite ohne Probleme Postkarten verschicken“, verspricht Inge Cremer aus dem Marburger Stadtteil Wehrshausen, die gemeinsam mit ihrer Familie das Portal ständig erweitert und aktualisiert.
Jede einzelne Karte wurde von Cremers Ehemann Johannes Heering detailgenau beschrieben. Blinde und Sehbehinderte können sich diese Beschreibungen per Sprachausgabe vorlesen lassen. „So kann man sich ganz leicht eine schöne Postkarten aussuchen – ohne Hilfe von einem Sehenden“, erklärt Inge Cremer.
Denn genau das sei immer ihr Problem gewesen: Sie verschickte unheimlich gern Postkarten, aber sie konnte sie nie allein kaufen. „Ich brauchte immer jemanden, der mir die Karten beschreibt. Das ist jetzt anders“, sagt sie und lächelt. Zu Weihnachten bekam sie die Internetseite – die übrigens nach ihrem Blindenhund Vita benannt ist – von Mann und Sohn geschenkt und half fortan bei der Entwicklung neuer Karten kräftig mit.
Mit etwas Glück soll aber noch mehr daraus werden: „Momentan suchen wir gerade eine Druckerei, die unsere Karten druckt, damit wir sie auch richtig per Post versenden und verkaufen können“, erklärt Johannes Heering schwärmerisch. Auch andere hätten mal klein angefangen und seien mittlerweile Großunternehmer, ergänzt er: „Träumen darf man ja noch.“
Bis zum Großunternehmer wird es wohl noch ein wenig dauern, aber Inge Cremer, Johannes Heering und Sohn Christoph sind mit viel Eifer bei der Sache. "Wir bieten auch an, im Auftrag von Sehenden Karten für Blinde in Blindenschrift zu schreiben und anschließend zu verschicken", erläutert Cremer das weitere Angebot. Das funktioniere über eine Bestellung der Karte im Internet. Sie sehe sich auch als Vermittlerin zwischen Blinden, Sehbehinderten und Sehenden, denn "die Blinden sind meistens unter sich und die Sehende auch und das sollte sich ändern", fordert die 55-jährige aus Wehrshausen.
Momentan werden die Karten endweder per E-Mail verschickt oder als Fotodruck per Post. "Der Versandt über das Internet ist kostenlos und kann von jedem selbst gemacht werden. Auf Bestellung drucken wir die Karten aber auch aus, beschriften sie und versenden sie mit der Post", erklärt Heering. Die Unkosten, die der Familie dabei entstehen, stellen sie in Rechnung, "aber das ist wirklich nicht viel. Noch verdienen wir nichts, sondern machen es, weil es uns Spaß macht", ergänzt er. Das könne sich aber ändern, sobald sie eine Druckerei gefunden hätten. "Sollten unsere Karten dann irgendwann gedruckt vorliegen, wollten wir sie auch in Marburger Geschäften anbieten und so auf uns aufmerksam machen", berichtet Inge Cremer, die hauptberuflich bei der Stadtverwaltung Marburg arbeitet, von ihren Zukunftsplänen.
Neben den Postkarten gibt es auf ihrem Internetauftritt auch kleine Geschenktipps. "Blinde möchten nämlich nicht immer nur Duftkerzen geschenkt bekommen. Das kann man dann irgendwan nicht mehr riechen". erklärt Cremer. So empfiehlt sie statt dessen z. B. Hörspiele, Einkaufsgutscheine mit Begleitung, Blumen oder auch eine Städtereise mit Begleitung, die all das erzählt, was nicht gesehen werden kann. (von Katharina Kaufmann)

Das Foto zeigt den Rapunzelturm aus der Froschperspektive, steil nach oben fotografiert, bei blauem Himmel. Direkt schräg über der Linse hängen etliche Eiszapfen von einem Rosenstrauch herab. Einige rote Hagebutten sind in das Eis eingeschlossen. Dahinter sieht man das Sandsteingemäuer und das Fachwerk durchschimmern.Schräges Sonnenlicht.
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Amönau. Man mag bei dem äußerst gelungenen Foto des OP-Lesers Johannes Heering aus Wehrshausen den Eindruck bekommen, dass nicht länger Rapunzel im Turm residiert, sondern die Schneekönigin. Aber wie kann das sein?
Immerhin gehört Rapunzel zu den gesammelten Hausmärchen der Brüder Grimm, während die Schneekönigin aus der Feder des dänischen Dichters Hans Christian Andersen stammt. Da das Bild nicht lügt, bleibt wohl nur noch die Erkenntnis, das nicht nur in den einzelnen Märchen alles möglich scheint, sondern dass sich Märchen unterschiedlicher Herkunft sogar mischen können. Ein ganz neuer Ansatz für die Forschung.